Idee, Notwendigkeit und Zielsetzung

Rückbau konventioneller Bauwerke:

Der Rückbau konventioneller Bauwerke ist mittlerweile eine Aufgabe, die genauso detailliert geplant und ausgeführt werden muss wie eine Neubaumaßnahme. Die Gesetze, Verordnungen und Richtlinien sind extrem umfangreich, teilweise länderspezifisch und unterliegen ständigen Neuerungen und Änderungen.

Welche Bedeutung dem Rückbau konventioneller Bauwerke zukommt, kann nachfolgender Grafik entnommen werden. Etwa 209 Millionen Tonnen Abfall fallen jährlich auf die Abfallart "Bau- und Abbruchabfälle" in Deutschland an. Im Jahr 2015 entsprach dies einem Anteil des gesamten Abfallaufkommens (402,2 Millionen Tonnen) von über 50 Prozent. Verbunden mit dem Kreislaufwirtschaftsgesetz (Link) und den Vorgaben zu den Recyclingquoten (Link) zeigt diese Tatsache deutlich das große Forschungspotential in diesem Gebiet auf. Themen sind hierbei die maschinelle Trennung der Abfallarten, Optimierungen im Bereich der Umwelteinträge und Belastungen beim Abbruch oder auch die Automatisierung und Fernhantierung. Dies gilt insbesondere beim Umgang mit „gefährlichen Abfällen“ (Link). Es gilt dieses Potential zu erkennen, Optimierungsansätze zu erarbeiten und Pilotprojekte gezielt umzusetzen.

Ziel ist es, den Abbruch von Bauwerken zu standardisieren. Dazu gehört u.a. die Schadstoffsanierung durch automatisierte Verfahren inkl. der Möglichkeit zur Fernhantierung und Weiterentwicklung der aktuellen Maschinentechnik. So können die Risiken für das ausführende Personal beim Umgang mit Schadstoffen minimiert werden.

Bedeutung für das Bauwesen – Abfallaufkommen 2015

Die Begriffe Abbruch, Rückbau und Demontage werden hierbei sehr oft vermengt, wobei es jeweils eine genaue Abgrenzung gibt: Rückbau und Demontage sind hierbei Teilbereiche des Abbruchs, der als Überbegriff genutzt wird. Dabei kann der Abbruch konventionell (Zertrümmern) oder auch selektiv (sortenrein) teilweise oder vollständig erfolgen.

Beim selektiven Abbruch und Rückbau müssen Fragen zum Umgang mit gefährlichen Abfällen bzw. Schadstoffen sowie zur Berücksichtigung von Forderungen zum sortenspezifischen Erfassen und Entsorgen des Abbruchmaterials im Vorfeld geklärt werden. All diese Punkte machen den Rückbau konventioneller Bauwerke zu einem spannenden Themengebiet mit hohem Forschungspotential.

Da Themen wie Bauen im Bestand und auch Bauen auf den "Brown Fields" zukünftig ein immer größeres Feld einnehmen werden, wurde am Institut für Technologie und Management im Baubetrieb diese Professur eingerichtet, die sich diesem zukunftsweisenden Themenfeld in Forschung, Wissenschaft und Lehre widmet.

Die Absolventen von heute müssen mehr denn je Generalisten sein, die sowohl in den Feldern Bauen und Betreiben wie auch Rückbau fundierte Kenntnisse aufweisen. Zur Verdeutlichung wird hier auszugsweise eine Umfrage an Universitäten und Hochschulen gezeigt. Diese Umfrage zeigt, dass die Themengebiete "Abbruch" und "Rückbau" sowie abbruchaffine Themenbereiche nur teilweise behandelt werden. Inhalte zu detaillierteren Fragen beim Rückbau werden i.d.R. nicht gelehrt.

Umfrage an Universitäten / Hochschulen: Abbruchinhalte im Bauingenieurwesen

Werden die Themen Abbruch/ Rückbau/ maschineller Abbruch/ Abbruchgeräte/ Abbruchsprengen/ Betonbohren u. -sägen/ Recycling/ Entsorgung in Ihren Vorlesungen behandelt?

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Quelle: Dr. rer. nat. Klaus Konertz I Dipl.-Ing. Marcel Schröder (Fachtagung Abbruch und Rückbau 2013)

Genau hier setzen wir an und bilden die Absolventen in diesen wichtigen und nachhaltigen Themengebieten durch Vorlesungen (Link) aus. Um den Studierenden die Grundlagen dieser Thematik zu vermitteln, bieten wir das Modul „Umwelt- und recyclinggerechte Demontage von Bauwerken“, mit den Vorlesungen Projektstudien und Verfahrenstechniken der Demontage an:

  • Stand der Wissenschaft und Technik für den Rückbau und Abbruch
  • Maschineller Abbruch, Transport, Aufbereitung, Deponierung und Entsorgung
  • Vom Abbruchantrag bis zur Maschineneinsatzplanung
  • Arbeits- und Immissionsschutz
  • Umgang mit Schadstoffen
  • Rechtliche Aspekte und Grundlagen
  • VDI- und Deponierichtlinien
  • Kalkulation mittels Praxisbeispiel
  • Exkursionen

Rückbau kerntechnischer Bauwerke:

Die Stilllegung kerntechnischer Anlagen rückt durch den begrenzten Lebenszyklus, vor allem aber durch den politisch beschlossenen Ausstieg aus der Kernenergie, immer mehr in das öffentliche Interesse. Der komplette Rückbau stellt für die beteiligten Ingenieure ein überaus komplexes Problem mit unzähligen Randbedingungen und Variablen dar, die stets berücksichtigt und in das Vorgehen einfließen müssen. Standardbaumaschinen dienen oft als Grundlage für Rückbauarbeiten, müssen aber bei jeder Anwendung bzw. für jedes Bauteil neu angepasst, weiterentwickelt und mit Zusatzsensoren ausgestattet werden. Die Rückbaukosten liegen je nach Bauart der Kraftwerke bei mehreren hundert Millionen Euro.

Der Ausstieg aus der Kernenergie und die damit verbundene Abschaltung der deutschen Kernkraftwerke bis zum Jahre 2022 haben die Thematik noch mehr in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gesetzt. Weltweit werden über 440 Kernkraftwerke betrieben. Eine aktuelle Schätzung geht davon aus, dass ca. 200 Reaktoren bis 2040 weltweit stillgelegt werden. Die Kosten für den Rückbau der weltweit laufenden Anlagen werden auf mehr als 100 Milliarden Dollar beziffert. Große Unsicherheiten bei den Kosten bleiben jedoch aufgrund geringer Erfahrung bei der Dekontaminierung. Unsicherheiten ergeben sich auch für die Frage, wie alte KKW-Flächen neu genutzt werden können. (Quelle: Süddeutsche Zeitung, November 2014).

Diese Fakten zeigen das große Potential und Forschungsvolumen, das diese Thematik in sich birgt.

Im Forschungs- und Lehrbereich des Rückbaus kerntechnischer Bauwerke werden daher drei parallele Zielsetzungen in der Professur verfolgt: 

  1. Aufbau eines national und international führenden wissenschaftlichen und technischen Kompetenzteams „Rückbau kerntechnischer Anlagen“ im KIT
  2. Entwicklung praxisbezogener neuer Rückbautechnologien (Pilotprojekte)
  3. Einrichtung eines Studienschwerpunktes zur Thematik

Im Mittelpunkt steht hierbei die Entwicklung praxisbezogener neuer Rückbautechnologien (Pilotprojekte) für offene Problemstellungen samt einer großmaßstäblichen Erprobung. Die Nutzung des Frei- und Versuchsgeländes des TMB mit angeschlossener mechanischer Werkstatt unterstützt die Versuchsprogramme hierbei sehr gut.

Mit unserem Modul: „Rückbau kerntechnischer Anlagen“, mit den Vorlesungen Demontage und Dekontamination von kerntechnischen Anlagen und Neuentwicklungen und Optimierungen in der Maschinentechnik der Demontage und des Rückbaus vermitteln wir den Studierenden die Grundlagen der Thematik:

  • Aufbau und Betrieb eines KKW
  • Strahlung, Strahlenschutz und Messtechnik
  • Genehmigungsplanung
  • Dekontamination, Oberflächenbehandlung und Fernhantierungstechniken
  • Abbruch- und Demontagetechniken
  • Trennen von Stahl und Stahlbetonen
  • Konditionierung und Endlager
  • Management des gesamten Rückbaus
  • Exkursionen zu aktuellen Rückbaustandorten